Reformen in Krisenzeiten

„Wir brauchen jetzt mehr Tempo“

Von Im Gespräch mit Katharina Lehmann · 2023

Porträt: Prof. Dr. Friedrich Heinemann
Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Ökonom beim Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Ob Infrastruktur, Energiewende oder Bildung – es kriselt an allen Ecken und Enden. Doch gerade in der Krise sind wir bereit für die großen Reformen, weiß Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Ökonom beim ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Im Interview erklärt er, wie Deutschland fit für die Zukunft wird.

Wie lässt sich der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder attraktiv gestalten?

Deutschland ist als Wirtschaftsstandort ja durchaus noch immer attraktiv, nur eben nicht mehr sehr attraktiv. Nach den großen Reformen der frühen 2000er-Jahre haben wir es uns einfach zu bequem gemacht, viele Investitionen in die Zukunft aufgeschoben. Uns ging es ja scheinbar gut, da war die Veränderungsbereitschaft nicht so groß. Heute sehen wir, was wir in den vergangenen Jahren alles versäumt haben – das Unbehagen über die schwindende Attraktivität des Standorts greift derzeit weit um sich. Ein wachsendes Problembewusstsein ist aber eigentlich eine gute Nachricht. Erst mit Krisenbewusstsein sind wir eher bereit für die ganz großen Reformen. Wir haben heute daher eigentlich die besten Voraussetzungen, Deutschland zukunftssicher aufzustellen.

Was müssen wir dafür tun?

Zunächst einmal brauchen wir jetzt mehr Tempo: Wir müssen schnell Investitionen in allen Bereichen anschieben, Bürokratie abbauen und Genehmigungsverfahren massiv beschleunigen. Bei den neuen Flüssiggasterminals haben Politik und Verwaltung bewiesen, dass sie Projekte zügig umsetzen können. Das Flüssiggas-Tempo sollte zum neuen Standard werden. Möglich könnte das zum Beispiel werden, indem Behörden zeitliche Fristen erhalten. Ist ein Antrag bei Ablauf der Frist noch immer nicht beschieden, gilt er als genehmigt. Damit würden sich Bauanträge für Infrastrukturvorhaben oder Energiewendeprojekte nicht so in die Länge ziehen. 

Dafür braucht es aber mehr Personal in den Behörden – derzeit mangelt es aber an Fachkräften.

Und das nicht nur in den Behörden. Wir sehen uns einem generellen Arbeitskräftemangel gegenüber – auch wegen der guten Sozialleistungen. Hier müssen wir aufpassen, dass wir keine Fehlanreize setzen; dass auch im niedrig qualifizierten Bereich diejenigen, die können, auch einer Arbeit nachgehen. Und gegen den Fachkräftemangel müssen wir natürlich mehr in Bildung investieren – zum Beispiel in die Deutschkenntnisse von Kindergartenkindern, damit die nicht schon in der Grundschule den Anschluss verlieren. Aber auch die ökonomische Bildung der Bevölkerung müssen wir ausbauen. Dann würde das Verständnis der Menschen für die wirtschaftlichen Grundlagen des gesellschaftlichen Wohlergehens wachsen. Das führt letztlich zu besseren Entscheidungen.

Und was brauchen die Unternehmen?

Einen Standort, bei dem sich die hohen Kosten für Steuern, Regulierung und Arbeitskräfte in einer exzellenten Infrastruktur widerspiegeln. Die Unternehmenssteuern sind hoch. Zudem haben wir in den vergangenen Jahren die Wirtschaft immer stärker reguliert. Nun müssen wir bereit sein, den Unternehmen dafür Gegenleistungen zu bieten, damit deren Geschäftsmodelle weiter passen und sie gerne hier am Standort bleiben und wirtschaften. Es heißt also auch hier: Tempo, Sicherheit und Investitionen.

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