Marktprognose

In die Tiefe investieren

Von Karl-Heinz Möller · 2019

Keine Panik sagt die Mehrheit der Finanzexperten, auch 2020 werde kein Krisenjahr. Doch die Risiken für die Weltwirtschaft bleiben trotz versöhnlicher Signale im Handelskonflikt und den Brexit-Verhandlungen hoch. Im Euro-Raum sind die strukturellen politischen wie wirtschaftlichen Probleme unübersehbar. Einige der positiven Erwartungen für das nächste Jahr sind bereits eingepreist.

Geschäftsmann fährt mit dem Finger eine Linie entlang; darunter befinden sich Säulen wie aus einem Diagramm.
Ob die Kurse an den Börsen 2020 weiter nach oben zeigen, wird unter anderem von der Politik abhängen. Foto: iStock / marchmeena29

Am aktuellen Zustand der heimischen Wirtschaft und den damit verbundenen internationalen Verflechtungen lesen die Ökonomen die nahe Zukunft ab. Demnach wird laut Einschätzung der DZ-Bank-Volkswirte die Weltwirtschaft im Jahr 2020 stabil um 2,9 Prozent wachsen und im Sommer sogar einen leichten Aufschwung verzeichnen. Diese optimistische Prognose für Sparer und Investoren wird damit begründet, dass sich die USA und China im Handelskonflikt anzunähern scheinen und der Brexit doch noch geregelt abläuft oder gar ganz ausfällt. In der EU sind nach Wachstumsraten von 1,2 Prozent im Jahr 2019 für 2020 Zuwächse von rund einem Prozent zu erwarten. Gegengewicht zu den Schwächen im europäischen Exportsektor ist die stabile Binnennachfrage, die – auch 2020 – durch den robusten Arbeitsmarkt sowie die allmählich anziehenden Löhne gestützt wird. Der anhaltende Bauboom stabilisiert die Investitionstätigkeit zusätzlich.

Depot nach Marktverschiebungen neu justieren

Von der Geldpolitik sind nach Meinung der meisten Chefvolkswirte keine Impulse zu erwarten. Die Mittel der Notenbanken seien zunehmend erschöpft. Somit ist der Rahmen für Geldanlagen für das kommende Jahr grob skizziert: Bei den festverzinslichen Papieren ist weiterhin viel Kreativität gefragt, unternehmerische Beteiligungen bleiben über die gesamte Breite der Möglichkeiten ein Hebel, um höhere Renditen als beispielsweise solide Staatsanleihen zu erzielen. Änderungen in der Anlagestrategie hält Michael Thaler, Vorstand TOP-Vermögen AG sowie der Werner-Reichenberger-Stiftung, für sinnvoll, wenn der Schwerpunkt stark auf DAX-Werte ausgerichtet ist. Der Leitindex liege dicht an den Höchstwerten. Eine Formel für neue Perspektiven im Depot könnte in der Idee stecken, zusätzlich oder mehr Smallcaps, Midcaps und kleinere Nebenwerte aufzunehmen. Beispielsweise auch per Fonds, die unter anderem direkte Beteiligungen von vielversprechenden Unternehmen mit Zukunftspotenzial enthalten.

Auf die Suche nach Anlageperlen gehen 

International sei durchaus denkbar, dass China 2020 als Wachstumslokomotive schwächelt. Dafür dürften die USA im kommenden Jahr überzeugen, während in Europa eher mit einem phlegmatischen Auf und Ab zu rechnen sei. Auf dem Kontinent herrscht keine Aufbruchsstimmung. Auch wenn sich die Inflation lange Zeit in einem engen Korsett bewegt, muss das nicht so bleiben. Hier bieten sich im Regelfall Sachwerte wie Aktien oder Immobilien als sinnvolle Anlagen an.

Quelle: Bloomberg, 2019

Auf der Suche nach Anlageperlen könnten Investoren und Privatanleger auf anderen Kontinenten fündig werden. Unterschätzt werde bei vielen Anlegern die Werthaltigkeit vieler Wertpapiere aus den Schwellenländern von Vietnam, über Indien bis Mexiko. Thaler: „Hier gibt es vielerorts vernünftige Einkaufskurse.“ Um von den Trends am Aktienmarkt zu profitieren, gehört eine Portion Vertrauen in die Unternehmen. Es bleibt die große Frage im Raum stehen, ob die steigenden Kurse auf der ganzen Breite ihre Richtung beibehalten. 

Momentan leben die Märkte von ihrer optimistischen Erwartung. Auch die lockere Geldpolitik befeuert die Kurse. In den USA schwächt sich das Gewinnwachstum zwar ab, doch die Bewertung ist nach den Kursgewinnen 2019 wieder gestiegen. „Drinbleiben“ rät der Chefanlagestratege der DZ-Bank, Christian Kahler. In Europa wachsen die Unternehmensgewinne insgesamt solider als beim zyklischen DAX und Anlegern winkt eine attraktive Stillhalteprämie in Form von Dividenden. Anlegern empfiehlt Kahler daher: „Auf Dividendentitel setzen, die Volatilität nutzen und bei Rückschlägen kaufen.“ Eine klare Unterscheidung, ob US- oder europäische Aktien 2020 empfehlenswert sind, macht Kahler nicht. Für ihn ist es wichtiger, auf die Zukunftsaussichten, das Management und die Bewertung der Unternehmen zu schauen, als auf den juristischen Sitz der Gesellschaft. Insgesamt erhöht das Niedrigzinsumfeld die Nachfrage nach riskanteren Assetklassen. Solange die Kapitalmarktzinsen sehr niedrig bleiben, bleiben Anlagerisiken jedoch verdeckt.

Quelle: MSCI, 2019

Sachwerte dienen der Diversifikation

Zu einer empfehlenswerten noch breiteren Streuung der Investitionen als bislang gehört auch ein Anteil Gold. Hier lohnt es sich, auf gute Einstiegskurse zu spekulieren. In vielen großen Investmentfonds ist dieses Edelmetall in kleineren Mengen immer vertreten. Gold bleibt in diesem Kontext ein verlässlicher Baustein für das Portfolio und hat die Funktion einer Reservewährung. Ginge es nach der der Schweizer Großbank UBS, sollten Anleger nicht nur das kommende Jahr unter die Lupe nehmen. In ihrer jüngsten Prognose empfiehlt das Geldinstitut, den Blick auf das kommende Jahrzehnt zu richten. „Wir stehen am Beginn eines Jahrzehnts der Transformation, in dem neue Gewinner und Verlierer die Art und Weise verändern könnten, wie Anleger ihr Geld investieren", sagt Finanzchef Mark Haefele. Der Experte glaubt für die kommende Dekade an „grundlegende Veränderungen", mit denen Anleger konfrontiert sein werden. Die Folgen der Digitalisierung sind in diesem Kontext nur ein Aspekt. Die größten Chancen sieht die UBS dabei für Aktien aus den Bereichen Nachhaltigkeit und Technologie. Bei den Sachwerten sticht seit Jahren die Immobilie heraus. Ob in Form von AIF-Fonds, Offenen Immobilienfonds, Aktien oder Direktinvestitionen sind sie wegen der hohen Nachfrage und des niedrigen Angebots immer eine Option. Bei der Renditebeurteilung kommt es auf den Inhalt beziehungsweise auf den Ort oder die Branche an. So dürfte der Boom in den Großstädten mit ihren teils exorbitanten Quadratmeterpreisen auslaufen und die Einheiten teuer oder gar überteuert sein.

Dass Investieren auch mehr sein kann, als nur nach Rendite zu schielen, ist auf dem Markt für Kunst zu beobachten. Der Kunstmarkt wächst seit einigen Jahren vor allem an beiden „Enden“ – im sehr hochpreisigen Segment mit absoluten Auktionsrekorden und im unteren Segment mit Werken im niedrigen fünfstelligen Bereich. Da gibt es einmal die Akteure, bei denen genug Geld vorhanden ist, die nach alternativen Anlagemöglichkeiten zu Aktien, Derivaten, Edelmetallen und Immobilien suchen. Zum anderen gewinnt Kunst hierzulande in einer breiten Mittelschicht an Bedeutung. Die Berliner Konzeptentwicklerin und Künstlerin Isabell Flohr bestätigt diese Entwicklung. „Über die Beschäftigung mit Kunst und deren Erwerb wünschen sich aktuell immer mehr junge Menschen ihre Individualität und Mentalität zum Ausdruck zu bringen“, sagt die erfahrene Expertin. Sie bereicherten mit Lieblingsstücken ihre Umgebung. Für manche Sammler seien sie auch Teil einer Meditation. Dies könnte auch eine perfekte Therapie sein, wenn es an der Börse mal wieder abwärts geht. Pablo Picasso wusste: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.“

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