Ausblick auf den Finanzmarkt

Über das Jahr hinaus

Von Karl-Heinz Möller · 2023

Wie sagte einmal der Philosoph Karl Popper zu seiner Zeit, als nicht nur in Europa der Zweite Weltkrieg tobte: „Unsere Einstellung der Zukunft gegenüber muss sein: Wir sind jetzt verantwortlich für das, was in der Zukunft geschieht.“ In der heutigen Situation wird klar: Solange der Krieg in der Ukraine andauert, bestimmen erhebliche Unsicherheiten die Gegenwart. Verhandeln wir, reagieren wir besonnen und stellen dabei unsere Ressourcen neu auf.

Ein Globus mit Paketen im Matrixdesign
Neunzig Prozent aller Waren für Deutschland werden per Schiff und Container transportiert. Foto: iStock / Jian Fan

Schwankend und doch erfolgreich überstanden die Börsen die vergangenen Wochen. Zu verarbeiten waren immerhin drastische Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank EZB. Begleitet von einem fast kompletten Zusammenbruch der Lieferketten und Preisexplosionen im Energiesektor. Die Gefahr einer Rezession für Europa und die USA ist gegeben. Mit hoher Volatilität und Unsicherheit verabschiedet sich das laufende Anlagejahr und konfrontiert Bürger und Investoren am Ende mit immer neuen unangenehmen Herausforderungen. Hier geht ein Schiff im Sturm unter, dort eine Papierfabrik pleite, woanders steht eine große Bäckerei vor der Insolvenz, oder der Staat muss wie eine Feuerwehr Unternehmen finanziell unterstützen.

Guter Rat muss nicht teuer sein

„Vertrauen ist der Anfang von allem!“ war einst der werbewirksame Leitspruch einer großen Bank. Er hat längst seine Glaubwürdigkeit eingebüßt. Wem vertrauen die Menschen hierzulande eigentlich bei Finanzfragen? Wenn es um das liebe Geld geht, hört eine Mehrheit von 94 Prozent in Finanzdingen wie Geldanlagen auf den Rat von Freunden und Familie. Das ist das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom. Fakten müssen auch sie sammeln, um sich eine Meinung zu bilden. Abgesehen von der aktuell dramatischen Zuspitzung identifizieren britische Fondsmanager die makroökonomischen Treiber der Zukunft. „Wir glauben, dass Chinas wirtschaftlicher Aufstieg, der Klimawandel, disruptive Technologien, demografischer Wandel und Kredite zu den großen Trends gehören, die das Marktgeschehen bis 2030 entscheidend bestimmen“, sagen die Beratenden der Cunningham Investment Group. Hubert Thaler, Vorstand der Top Vermögen AG in München, insbesondere engagiert in der Beratung von Stiftungen, ist dennoch vorsichtig optimistisch hinsichtlich der Herausforderungen, die momentan die Welt und die Märkte beherrschen, die aber mittelfristig bewältigbar sein würden. Thaler: „Ein positiver Indikator wäre, wenn die Inflation im Frühjahr 2023 nachlassen würde. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. In den USA haben die Inflationsraten ihren Höhepunkt überschritten und sinken seit drei Monaten. Die hohen Energiepreise und der starke Dollar sorgen in Europa für eine importierte Inflation. Hinzu kommen höhere Preise durch gestörte Lieferketten.“ Auch festverzinsliche Wertpapiere seien wieder lukrativ. Mit ausgesuchten Unternehmensanleihen solider Firmen wären sogar Renditen von vier bis fünf Prozent möglich, sagt der Vorstand. Sollte die Inflation entsprechend zurückkommen, rechnen die Münchner ab Ende 2023 mit positiven realen Renditen, das hieße, die Erträge sind höher als die Inflationsrate.

Ausblick auf den Finanzmarkt: Mit Finanzen 4.0 Kunden gewinnen

Gemischte Stimmen sind aus dem Handel zu hören. Der stationäre Handel klagt. So wird das Ende der klassischen Kaufhäuser ausgerufen. Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof ist wieder ein Thema. Die Zuschüsse seien aufgebraucht, ist zu hören. Vielleicht ist diese Form des Verkaufs nicht mehr gefragt, weil das Käuferverhalten mehrdimensionaler wird? Während in den vergangenen Jahren die Weiterentwicklung von Tools und Technologien im Mittelpunkt standen, wird zukünftig der Integration gewonnener Kundendaten eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Customer Experience zugeteilt. Gleichzeitig hilft die Digitalisierung nicht nur dabei, Prozesse für Kunden greifbarer zu machen. Sie führt zur Entlastung der Mitarbeitenden, die Freiheiten für individuelle Kundenkontakte gewinnen und so gezielter auf Kundenbedürfnisse eingehen können. Technologien wie KI, Marketing-Automation und Chatbots können diesen Prozess immens unterstützen. Ein Markt, der zunehmend bei Anlegern und Kunden von Banken gefragt ist, befasst sich mit finanziellen Engagements, die über das Bedürfnis nach einer guten Rendite hinausgehen. Impact-Investoren wollen aus Überzeugung drängende soziale und ökologische Probleme lösen. Die Themen Umwelt, Energie und Gesundheit spielen eine dominante Rolle im Rahmen des Impact Investing. Private Equity gilt dabei als eine der zentralen Umsetzungen.

Grafik: Europäische Union: Inflationsrate (in Prozent)

Investieren, wo für Umweltschutz das Geld fehlt

Anleger, die andere konkrete Investments zugunsten des Klimas suchen, greifen gerne zu Green Bonds. Sie finanzieren klimafreundliche Technologien und Effizienzprojekte. Grüne Anleihen sind festverzinsliche Wertpapiere, herausgegeben von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Als Emittentin verpflichtet sich die Förderbank, Gelder in Höhe der Erlöse in Umwelt- und Klimaschutzprojekte zu investieren. Green Bonds wären eine zündende Idee für Klimaaktivisten, um sie als Startkapital für umweltfreundliche Ziele einzusetzen. Die Investments liefern direkt mehr Zinseszins als Aktionen auf dem Asphalt. Sie dienen den notleidenden Staaten und Menschen Afrikas, Asiens und Südamerikas und bringen den Impact dorthin, wo die entscheidende Wende eingeleitet werden müsste, um dem Planeten Erde eine ehrliche Zukunft zu geben. Geld ist Abstraktion in Aktion, sagt Peter Sloterdijk. Wert hin, Wert her, Geschäft bleibe Geschäft. Dem Geld ist alles egal. Es sei das Medium, in dem die Gleichsetzung des Verschiedenen sich praktisch verwirklicht. Wie nichts anderes besitze es die Kraft, Verschiedenes auf den gleichen Nenner zu bringen. Gegenüber dem Erfolg von Klimafanatikern bleibt der Moralist in diesem Kontext dann wohl eher skeptisch.

Schon gewusst?

Es wird erwartet, dass die Inflation im Jahr 2023 zurückgeht, aber mit 7,0 Prozent in der EU und 6,1 Prozent im Euroraum hoch bleibt, bevor sie sich 2024 auf 3,0 Prozent beziehungsweise 2,6 Prozent abschwächt.

Quelle: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/wirtschaftsprognose-eu-kommission-rechnet-mit-geringerem-wachstum-und-hoherer-inflation-2022-11-11_de, Zugriff: 23.11.2022

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