Robuste Konjunktur

Felsen in der Brandung

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2024

Die Hoffnungen auf schnelle und starke Zinssenkungen schwinden sowohl in den USA als auch in Europa. Die Aktienmärkte scheint das nicht zu stören: Die Kurse steigen. Ein Grund ist die robuste Verfassung der großen börsennotierten Unternehmen. Auch die Versicherungswirtschaft profitiert von der Entwicklung.

Konzept von Zinssätzen und Dividenden ,Prozentsatz des Investitionswachstums und Zinsen auf Einlage
Foto: iStock / Thanakorn Lappattaranan

Für Vermögende scheint die Welt wieder in Ordnung zu sein. Die Immobilienpreise haben sich wieder stabilisiert, der Goldpreis ist auf einem Hoch, die Börsenkurse sind auf Rekordjagd. So beendete der MSCI World, der die 1.600 größten Unternehmen der entwickelten Welt abbildet, das Jahr 2023 mit einem Plus von mehr als 20 Prozent. Auch der deutsche Leitindex DAX legte, inklusive reinvestierter Dividenden, um 20,3 Prozent zu.

Vor einem Jahr war die Stimmung noch ganz anders. Geopolitische und makroökonomische Unsicherheiten führten 2022 zu heftigen Kursverlusten und damit zu verringerten Vermögen. Dem World Wealth Report des Beratungsunternehmens Capgemini zufolge sank die Zahl der Menschen mit Vermögen von mehr als einer Million Dollar weltweit um 3,3 Prozent. In Deutschland waren es 20.000 oder 1,3 Prozent weniger, die diese Schwelle erreichten.

Nun dürfte die Zahl wieder steigen; auch im ersten Quartal 2024 setzte sich die Rally an den Aktienmärkten aus dem vergangenen Jahr fort. Die größten Indizes legten um durchschnittlich zehn Prozent zu – und das, obwohl sich die wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten keineswegs verringert haben. Wie kann das angehen?

Im vergangenen Jahr wurden Kursgewinne an den Aktienmärkten oft mit Hoffnungen auf eine Zinswende begründet. In den USA war der erste Zinsschritt nach unten schon für den März dieses Jahres erwartet worden. US-Notenbank-Chef Jerome Powell selbst hatte entsprechende Signale gesendet. Doch die Entscheidung wurde vertagt, die Leitsätze der Fed blieben auf dem hohen Niveau von 5,25 bis 5,5 Prozent – dem Höchststand in diesem Jahrtausend. Mittlerweile mehren sich an den Börsen auch die Zweifel, dass im Juni die Zinssenkung nachgeholt wird. Doch die Börsen bleiben ruhig.

Robuste US-Konjunktur 

Für die abwartende Haltung der US-Notenbank gibt es zwei Gründe: Die Erfolge im Kampf gegen die Inflation stagnieren seit einiger Zeit, zuletzt wurde gar wieder eine kleine Aufwärtstendenz registriert. Zwar liegt der Preisauftrieb nur noch rund einen Prozentpunkt über dem Zielwert von zwei Prozent. Aber das reicht der Fed noch nicht. Hinzu kommt, dass die Konjunktur in den Vereinigten Staaten erfreulich positiv verläuft. Damit entfällt ein wesentliches Argument für Zinssenkungen.

Auch in Europa könnte die Absenkung der Leitzinsen schwächer als erwartet ausfallen – wenngleich die Inflation weiter sinkt. In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im März nur noch um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, das ist der niedrigste Wert seit April 2021. Für die gesamte Eurozone hat die EU-Behörde Eurostat für den März eine Teuerung von 2,4 Prozent errechnet. Die erwartete Zinswende ab Juni könnte dennoch langsamer ablaufen als ursprünglich erwartet, weil die Inflationssorgen keineswegs gebannt sind und sich die Europäische Zentralbank nicht zu stark von den Zinsentwicklungen in den USA abkoppeln kann. 

Dividenden auf Rekordniveau

Dass die Börsen trotzdem optimistisch bleiben, liegt an der robusten Verfassung börsennotierter Unternehmen, die als Felsen in der Brandung in den schwierigen Zeiten standhaft bleiben. In Deutschland steigen die Dividendenausschüttungen erneut an: 52,3 Milliarden Euro verteilen allein die Dax-Unternehmen – ein Plus von einem Prozent und neuer Rekord. Auch für 2024 wird kein Einbruch bei den Dividenden erwartet. Aktien bleiben infolge der hohen Dividendenrendite damit attraktiv. Laut einer Studie der DZ Bank liegt sie im DAX-Durchschnitt aktuell bei 3,4 Prozent.

Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen können auch viele Versicherer ihre Gewinne steigern. Laut der Studie „Risk and Resilience – Global Insurance Survey 2024“ sind die Finanzmanager der Assekuranzen optimistisch gestimmt und rechnen mit einem guten Aktienjahr 2024.

Vermögende finden derzeit aber auch abseits der Aktienmärkte positive Entwicklungen vor. So werden die Perspektiven für den Immobilienmarkt wieder deutlich positiver beschrieben. Die Kreditzinsen für Baufinanzierungen haben wieder ein stabiles Niveau erreicht. Wertstabil zeigt sich auch der Goldpreis. Mehrfach hat das gelbe Edelmetall zuletzt neue Höchststände erreicht. Anfang April notierte der Goldpreis zeitweise bei 2.304,95 Dollar je Feinunze – eine neue Bestmarke; es war das fünfte Rekordhoch in Folge. 

Lebensversicherungen profitieren

Von den aktuell höheren Zinsen profitieren Lebens- und Rentenversicherungen – vor allem langfristig. So haben einige Assekuranzen die Gesamtverzinsung für Lebensversicherungen für 2023 bereits angehoben, investieren sie das Geld ihrer Kunden doch vorwiegend in festverzinsliche Wertpapiere wie Staatsanleihen, die inzwischen besser verzinst werden. Bei klassischen Lebens- und Rentenversicherungen soll die laufende Verzinsung im kommenden Jahr im Schnitt auf 2,7 Prozent nach zuletzt 2,5 Prozent steigen. Bei den neueren Varianten ohne lebenslange Zinsgarantien steigt die Verzinsung von bisher 2,6 auf 2,8 Prozent. Hinzu kommt der sogenannte Schlussüberschuss, über dessen Höhe die Versicherer je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie entscheiden. Diesen eingeschlossen, können Lebensversicherungskunden, deren Vertrag 2024 ausläuft, mit einer Gesamtverzinsung von 3,5 Prozent (bisher 3,2 Prozent) für klassische Produkte rechnen. Bei dem Modell mit eingeschränkter Garantie sind es 3,8 Prozent (zuvor 3,5 Prozent). 

Mittelfristig dürften auch die Überschussbeteiligungen zulegen. Dass die Tendenz nicht noch besser ausfällt, liegt daran, dass die Versicherer mit einem Großteil des Geldes noch in langfristige Anlagen zu alten, niedrigeren Zinssätzen investiert sind. 

Die Risiken bleiben hoch

Die vielen positiven Aspekte dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Risiken hoch bleiben. Die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen dauern an und können weiter eskalieren. Wie sich das Verhältnis zwischen China und den USA und auch zu Europa entwickelt, ist schwer abzusehen. Auch verläuft die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland alles andere als positiv. Vielen Mittelständlern geht es nicht gut. Die Institute zeichnen ein düsteres Bild für die deutsche Wirtschaft. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin rechnet für 2024 mit einer Stagnation; das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) erwartet ein Wachstum von 0,1 Prozent.

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