Post-Corona-Ökonomie

Nichts ist sicher, alles kann sich ändern

Von Karl-Heinz Möller · 2021

Im Vorlauf der Post-Corona-Ökonomie beginnt die Revitalisierung der Unternehmen. In dieser Phase werden die aufgeschobenen Projekte neu justiert, umgesetzt oder auch gekippt. Vor allem um Erneuerung wird es gehen. Mit einer Kreativität, die die Aspekte der jüngsten Vergangenheit einschließt, beginnt das Zeitalter nach der Pandemie.

Graph mit Finanzzahlen und dem Tiefpunkt, der Covid-19 heißt.
Ungebetener Gast im Koordinatensystem. Foto: iStock / Andriy Onufriyenko

Im Kampf gegen Covid-19 kann die Nation einen wichtigen Etappensieg verbuchen. Die Zahl der Infizierten sinkt bundesweit auf ein minimales Niveau mit positiven Folgen für Wirtschaft und Finanzen. Viele Fabriken sind bereits wieder ausgelastet, die Arbeitslosenzahlen sinken und der Konsum vermeldet Zuwächse in fast allen Branchen. Da die Börsen in der Regel der realen Entwicklung vorauslaufen, verbuchen sie Höchststände. Also alles bestens oder zu kurz gedacht? Nikolaus Franke, Leiter des Instituts für Entrepreneurship und Innovation, sagt: „In gewisser Weise ist die Coronakrise eine komprimierte Fallstudie des prägenden Megatrends der Gegenwart: Viel Veränderung in wenig Zeit. Wir leben in einer disruptiven Epoche.“ Entwicklungen in Gesellschaft, Technologie, Politik, Kultur und Umwelt geschehen sprunghaft und Ihre Dynamik und Auswirkungen sind größer als je zuvor. Nichts ist sicher, alles kann sich ändern. Das klingt nach Bedrohung – aber auch nach Chance. Nicht mehr Größe und Marktmacht sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren, sondern Agilität, Flexibilität und die Fähigkeit zur Innovation. Die prototypische Organisationsform des 21. Jahrhunderts ist das Start-up – die Extremform von Anpassungsfähigkeit und Unternehmertum. Ein ungeöffnetes Päckchen aus der Pandemiezeit sind die wachsenden Staatsschulden. Die Quote sprang im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung 2020 von rund 60 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 70 Prozent. Etwa die Hälfte davon kommt noch einmal im laufenden Jahr obendrauf. Diese Milliarden Euro zu tilgen dürfte einige Jahrzehnte brauchen und die Budgets der nächsten Generationen und deren Vorsorge für das Alter stark belasten.

Ziele umformulieren und resilienter werden

Der Weg aus der Schuldenspirale führe nur über ein kräftiges Wirtschaftswachstum, sagen maßgebliche Politiker und Unternehmer. Sie hoffen, dass eine Welle an Innovationen die Konjunkturlokomotive kräftig anschiebt. Auf die Zeiten des „Neuen Normal“ soll das „Neue Wachstum“ folgen. In Sachen Inflation stellt sich die Frage, wie hoch diese noch steigen wird. Vielleicht ist der Teuerungsanstieg nur ein Einmaleffekt. Wofür die anhaltend lockere Geldpolitik, die laxe europäische Fiskalpolitik sowie die aufgestaute, private Nachfrage und die Knappheit bei vielen Vorleistungsgütern und Rohstoffen sprechen. Günstig bleiben die Perspektiven für Investments in Immobilien. Diese Einschätzung gilt auch für Büroprojekte. Das Homeoffice wird zwar bleiben, aber weniger ausgeprägt als noch vor einem Jahr vermutet, laut einer Prognose des Immobilienunternehmens Jones Lang LaSalle JLL.

„Einen Großteil der Zeit wird man im Büro verbringen, einen kleineren Teil der Zeit zu Hause“, sagte Sabine Eckhardt, Zentraleuropa-Chefin von JLL. In Deutschland arbeiteten nach derzeitigen Berechnungen die Angestellten im Schnitt „2,1 bis 1,5 Tage“ pro Woche von zu Hause aus. Damit Mitarbeiter wieder ins Büro zurückkommen, müssten Unternehmen allerdings ihre Bürofläche neu denken. Es gehe weniger um Kästchen und Quadratmeter-Optimierung in Zukunft, sondern eher darum, wie man die Fläche so gestalten muss, dass sie hochattraktiv ist für Menschen. Die Arbeitgeber müssten um ihre Mitarbeiter buhlen und werben. Die Büros werden also nicht verschwinden, ganz im Gegenteil. In den sieben großen deutschen Städten wächst derzeit die Bürofläche mit 1,3 Millionen Quadratmetern. Grund dafür ist, dass 2020 wenig neue Mitarbeiter eingestellt wurden. Jetzt werde dies nachgeholt, und die neuen Angestellten müssen ja irgendwo sitzen. Die Pandemie hat die hohe Unkorreliertheit von Anlagen in erneuerbare Energien zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) und anderen Anlageklassen verstärkt. Die erneuerbaren Energien haben im Jahr 2020 Rekorde aufgestellt und weltweit fast 90 Prozent an neuen erneuerbaren Stromkapazitäten hinzugefügt.

Post-Corona-Ökonomie: Innovationsschub in Richtung Nachhaltigkeit 

Branchenexperten schätzen, dass erneuerbare Energien bis 2050 mehr als 80 Prozent des europäischen Stroms liefern. Sinkende Technologiekosten verbessern die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien gegenüber konventionellen Alternativen. Beschleunigt durch das Wachstum von Elektrofahrzeugen, die bis 2032 mehr als die Hälfte der PKWs ausmachen könnten, sinken die Kosten für Batteriespeicher, und es wird möglich sein, dass immer größere Anlagen zur Erzeugung von Grundlaststrom eingesetzt werden können. Nachhaltigkeit in der Finanzbranche spielt eine immer wichtigere Rolle. Dieser Fokus gelte nicht nur für große Investoren wie Fondsgesellschaften, die für die Portfolios die Unternehmensausrichtung genauer unter die Lupe nehmen, konstatiert der Bundesverband der Banken. Auch für die Vergabe von Krediten seien ESG-Kriterien ein kritischer Faktor. Die Pandemie hat den Blick auf die Klimaveränderungen geschärft. Politiker sind am Zug und es muss ihnen gelingen, die richtigen Weichen für einen Aufschwung zu stellen und dabei die ökologischen Perspektiven zu wahren. Ein schwieriger Seiltanz für die Post-Corona-Ökonomie und für die kommenden Generationen. Die Krise hat auch die ethischen Herausforderungen verstärkt, indem eine Ungleichheit in Einkommen und Vermögen entsteht, das Vertrauen und Wertschätzung in die Mitarbeiter teilweise verloren geht, sowie die Umsetzung staatlicher Hilfen für Unternehmen und Soloselbstständige teilweise versagen. Anlass zu Hoffnung aus ethischer Sicht gibt die Solidarität der Gesellschaft mit den wirtschaftlich Schwachen, sie hat zugenommen. Das Virus kennt keine Unterschiede nach Alter, Vermögen, Geschlecht. Ökonomie endet nicht im Nichts.

Grafik: Inflationsrate in Deutschland von Mai 2020 bis Mai 2021

Quellen:
www.physik.uni-potsdam.de
www.ldeo.columbia.edu
www.jll.de/de
www.diw.de

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